Kunstkatalog Stefanie Brehm

28 Ich erwähne diese Verbindungen und Begegnungen, weil ich glaube, dass sie ein wichtiger Bestandteil der Kunstwelt sind und etwas darüber aussagen, wie die Kunstwelt funktioniert. Man trifft jemanden und es vergehen Jahre, und dann kreuzen sich aus irgendei- nem Grund die Wege erneut. So erging es mir auch mit Stefanie Brehm, deren Arbeit ich während meiner Zeit als Gastprofessor in München kurz wahrnahm, und die einen starken Eindruck bei mir hinterließ. Als sie mich kürzlich anschrieb, freute ich mich sehr, von ihren neueren Arbeiten zu erfahren und zu sehen, welche Richtung sie seit unserer letzten Begegnung einge- schlagen hatte. Ein Aspekt, der mich während meiner Zeit an der Akademie der Bildenden Künste beeindruckt hatte, waren die vielen unterschiedlichen Medien, mit denen die Studierenden zu arbeiten ermutigt wurden. Um sie dabei zu unterstützen, stellte die Schule allen, die eine große Bandbreite an Methoden und Prozessen lernen wollten, eine Reihe von Fachleuten zur Seite - von Keramik über Glasbläserei, Schmiedekunst, Steinmetz- kunst bis hin zur Arbeit mit Kunststoffen wie Poly­ urethan. Studenten mussten sich also nicht auf ein Material oder eine Technik festlegen. Brehm macht abstrakte Kunst, und sie versteht sich auf eine Reihe von Medien, darunter Keramik und Polyurethan. In jüngerer Zeit arbeitete sie mit drei verschiedenen Formen: Keramiksäulen unterschied- licher Höhe, großen Wandscheiben aus Ton, und ge- gossenen „Pinselstrichen“. Letzteres sind Linien und Bänder aus Polyurethan, die vorübergehend direkt an eine Wand montiert werden. In allen diesen Arbeiten findet Brehm Wege, das jeweilige Material, z.B. Ton und Kunststoff, zu verwenden, um Farbbeziehungen zu erkunden. Stefanie Brehms Fest der Farben John Yau Nach Jackson Pollocks Durchbruch in die reine Ab- straktion, wirkten in den 1950er und 60er Jahren in Amerika weitere Künstler wie Helen Frankenthaler und Morris Louis an der Befreiung der Kunst aus dem deskriptiven Kontext mit, bis die Farbe selbst zum Subjekt ihrer Arbeiten wurde. Ein weiterer Umbruch fand zu etwa derselben Zeit in der Keramik statt, als Peter Voulkos, inspiriert von den abstrakten Expressionisten wie Pollock, zum ersten Keramikkünstler wurde, der die Grenze zwischen funk- tionellem und rein ästhetischem Objekt einriss. Voul- kos‘ Durchbruch, der sehr gut dokumentiert ist, fand seinen Höhepunkt 1959 in der Ausstellung riesiger Tonskulpturen in der Landau Gallery in Los Angeles. Das Territorium, das Brehm mit großer Selbstsicher- heit und Energie erkundet, wird von der Farbfeldma- lerei und der abstrakten Keramik und von Künstlern wie Frankenthaler, Dan Christensen, Voulkos und Jun Kaneko eingerahmt. Der Ort jedoch, an den sie sich mit all ihren kunstgeschichtlichen Vorreitern begeben hat, ist ganz ihr eigener. Obwohl klar ist, dass ihre Arbeit mit verschiedenen Medien immer die Kulmination eines arbeitsinten- siven Prozesses ist, macht Brehm ihre beträchtliche Mühe niemals zum Erlebnis des Betrachters. Die Farben, die sich auf den Säulen manifestieren wirken nuanciert und direkt. Es finden sich überlagernde Schleier, verschiedene Farbformen und eine unter- schiedliche Liniendichte. Die farblichen Markierungen auf ihren Objekten erinnern an abstrakte Malerei, Graffiti und an die geschäftige urbane Welt, während die abstrakten Säulen lakonisch die klassische Welt und ihre Architektur heraufbeschwören. Darüber hinaus ist das fortwährende Entdecken neuer Bild- perspektiven eine bemerkenswerte Erfahrung beim Ich begegnete Stefanie Brehm erstmals 2013 an der Akademie der Bildenden Künste in München, wo sie in der Klasse meines Freundes Norbert Prangenberg (1949-2012) studierte. Im Gespräch mit ihr erfuhr ich, dass sie mit ihrer Familie kurz zuvor in Chile gewesen war, und dass sie plante, erneut dorthin zu reisen, da ihr Mann dort Familie hatte. Spontan gab ich ihr die E-Mail einer chilenischen Freundin, der Künst- lerin Francisca Sutil, die ich Jahre zuvor kennengelernt hatte, kurz nachdem sie ihr MFA am Pratt Institute in Brooklyn, New York, erhalten hatte.

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