Kunstkatalog Stefanie Brehm

55 Das klingt dennoch nach einem Balanceakt zwischen Arbeit und Familie. Das ist es auf jeden Fall. Das Mutterdasein hat mich beruflich aber immer eher un- terstützt, als total gegen mich zu arbeiten. Für mich sind das zwei Aufgabenfelder, die Hand in Hand gehen. Als die Kinder noch sehr klein waren, blieben mir täglich oft nur zwei oder drei Stunden für meine Arbeit. Dadurch hat sich der Arbeitsprozess aber sehr viel effizienter gestaltet. Ich wusste, dass in der knappen Zeit etwas passieren muss. Oft blockiert Zeitdruck einen Künstler, bei mir hat es aber immer dazu geführt, dass ich nicht anders konnte, als zum Punkt kommen zu müssen. Ich habe in kürzerer Zeit deutlich mehr geschafft, als in langen Arbeitsperioden. Entscheidungen, in Hinblick auf Farben und Formen, mussten viel schneller getroffen werden und deswegen waren sie sehr viel intuitiver. Manchmal komme ich durch das lange Überlegen weg von dem, was ich ur- sprünglich gespürt habe. Der Zeitdruck befeuert meine Arbeit also in gewisser Weise. Sie werden dieses Jahr ein Artist-in-Residence Stipendium in Prösitz bei Leipzig antreten, das sich speziell an Künstlerinnen wendet, die zugleich Mütter sind. Haben Sie den Ein- druck die Kunst wird dahingehend aktiver, oder ist das Engagement noch ausbaufähig? Das Künstlergut Prösitz ist das einzige mir bisher bekannte Projekt, das so intensiv durch ein Kinderbetreuungsprogramm auf Künstlerinnen mit Kindern eingeht. Von daher wür- de ich schon sagen, dass derartige Initiativen ausbaufähig sind. Viele Residencies haben leider kein Interesse, ihren Fokus darauf zu legen. Es ist aber auch ein zweischneidiges Schwert, denke ich. Die Kinder müssen bereit sein, ihr gewohntes Umfeld für eine längere Zeit zu verlassen und die Künstlerin steht unter einem großen mentalen Druck. Ich habe aber gehört, dass Residencies in Planung sind, in deren Rahmen Stipendien zu Hause gewährt werden. Den Künstlerinnen wird ein vollumfängliches Mentorenprogramm zur Seite gestellt, sie können aber weiterhin von zu Hause aus arbeiten und die Infrastruktur nutzen, die bereits vorhanden ist. Das wäre für mich auch ein denkbarer Lösungsansatz. Als Künstlerin kann man sich mit Kindern nicht immer spontan wegbewegen. Ihre Arbeit besticht immerzu durch Materialität und Plastik. Dabei gehen Ihre Kerami- ken eine Verbindung mit Polyurethan ein – ein eher ungewöhnlicher Materialmix. Wie lassen sich diese Werkstoffe in Analogie bringen? Seit meiner Ausbildung ist Keramik eines meiner großen Standbeine. Die Kunstakade- mie und ihre vielen Werkstätten haben es mir aber auch ermöglicht, andere Materialien auszuprobieren. Warum ich so sehr von Kunststoff angezogen bin, liegt wohl daran, dass das Material unser Leben so stark durchdringt. Kunststoff ist allgegenwärtig und hat eine Oberfläche und Erscheinung, die oft sehr anziehend wirkt. Man kann eine unglaubliche Farbkraft in das Material bringen. Der natürliche Glanz des Kunststoffs unterstützt zudem die Leuchtkraft der Farben. Die Farbpalette beim Kunststoff ist sehr viel größer und schril- ler, Neon-Töne kommen zum Beispiel perfekt zur Geltung. Das gibt es so in der Keramik nicht, wobei ich mich auch dort von traditionellen Farbtönen wie Blau, Grau, Braun und Ocker löse oder sie mit weiteren Farben neu kombiniere. Der Einsatz der Sprühpistole in einem malerischen Sinn ist ebenso untypisch für Keramik. Ich gehe also eher unkon- ventionell an die Bearbeitung meiner Materialien heran. Auch wenn Kunststoff ein viel moderneres Material als Keramik ist, das sehr archaisch anmutet, weisen beide eine Ähnlichkeit in ihrer Oberflächenerscheinung auf.

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