Kunstkatalog Stefanie Brehm
7 Ihr Hauptaugenmerk gilt dem Gefühl der Stimmigkeit. Ab wann stehen die Farben und die Form so in Be- ziehung, dass sich die Gesamtfigur im Gleichgewicht befindet? Denn genau in dieser Balance hat die Figur die größte Übereinstimmung mit dem momentanen Empfinden der Künstlerin. Vorarbeiten Die Malerei existierte für Stefanie Brehm schon im- mer auch als unabhängiges Kunstfeld in ihrem Schaf- fen. Jede künstlerische Überlegung und Erfahrung mit Farbe lässt sie in ihren inneren Fundus einfließen und von dort strahlt diese Erfahrung wieder auf alle bildnerischen Felder aus. Wie jede Künstlerin fertigt sie Vorarbeiten und Studien. Alle kleineren Zylinder dienen erstmal dem ausgiebigen Ausprobieren von Spielereien mit der Glasur. Doch zugleich sind sie ei- genständige Werke. Sie dienen nicht als Skizze für die großen Säulen, sie sind keine Maquetten, sondern der Generator für weitere Ideen und Findungen. Sie sind sehr nützlich, ja wertvoll, weil sie in der Bearbeitung nur wenige bis gar keine Zwischendialoge erfordern. Alles wird sofort erlaubt. Wenn sie vor den großen Säulen steht, gilt es meist erst eine Schwelle zu über- winden und Vertrauen in die eigenen Impulse und die Spontanität zu legen. „Wenn ich drüber hinweg bin, geht es los…“, fügt sie an. Polyurethane erweitern das Material Neben die Keramiken treten die Polyurethane. Sie sind eine “fluide Spielerei“, ein Ausdruck, der der Künstlerin gefällt. Alle ihre Farbaufträge sind spie- lerisch angelegt. Auch in der Keramik. Es zählt beim Spiel mit den Farben – wie bei einem Schachspiel – den bestmöglichen nächsten Zug zu setzen. Fortlau- fende Entscheidungen und Reaktionen sind gefordert, es gilt, Spannung zu erzeugen und letztendlich trotz- dem ein Gleichgewicht herzustellen. Im Vergleich zu den großen Keramiken, besitzen Kunststoffarbeiten zudem den Charme, mit weniger Zeitaufwand und Risiko hergestellt werden zu können. Doch auch die Polyurethane fordern im gleichen Maße Konzentrati- on und Klarheit bei der Umsetzung einer Farb-Form- Idee. Eingefärbtes, flüssiges Polyurethan, das mit Gieß- und Spritzbehältnissen auf eine beschichtete Platte aufgebracht wird, bildet die Grundlage die- ser Malerei. Ab einem gewissen Punkt, an dem der Aushärtungsprozess der Flüssigkeit chemisch aus- gelöst wird, gilt es sehr schnell zu entscheiden und zu arbeiten. Die Künstlerin entdeckte für sich diese Art von Malerei, als sie eigentlich eine aus mehreren Schichten aufgebaute Kunststoffplastik herstellen wollte. Doch sie blieb beim ersten Schritt mit der ersten dünnen Schicht bewusst stehen und folgte der Inspiration, ihr ursprüngliches Vorhaben zu verwerfen und dem Polyurethan nun mit Malerei zu begegnen. Mit den Kunststoffarbeiten führt Stefanie Brehm ihre ursprüngliche Malerei (Öl auf Leinwand) in ein neues Material über und weiter. Auch fühlt sie sich, wie bei der Keramik, angezogen vom Glanz und der Leucht- kraft, die das Medium der Farbe verleiht. So nimmt sie in den beiden Werkstoffen eine große, zunächst gar nicht anzunehmende, Ähnlichkeit wahr. Beide ziehen die Betrachter mit ihren glänzenden Oberflächen in den Bann, die Farben geraten ins Vibrieren. Beide Materialien verführen dazu, angefasst zu werden. Der Kunststoff wirkt bei der Betrachtung teilweise wie Glas, die Farben sind teils transparent, teils opak, ge- nau wie die Glasur. Überdies bietet das Material eine erweiterte Farbpalette mit Neon-Tönen, die in der Keramik nicht möglich sind. Zudem erlaubt Kunst- stoff der Farbe, sich selbst zu halten, ohne konkreten, herkömmlichen Bildträger. Die Verlaufsform der Farbe fügt sich dabei in die Wandarchitektur eines Raumes ein. Und so gelingen der Künstlerin bei ihren Ausstel- lungen Verweisungen von den Polyurethan-Werken an der Wand zu den Keramiken im Raum und umgekehrt. Sie haben eine offensichtliche Verwandtschaft. Der große Zopf, den Stefanie Brehm an die Fassade der neoklassizistischen Fassade anbringen konnte, sollte nicht in das Atelier einer vielseitigen Künstlerin führen. Er führte eine junge Künstlerin hinaus, um, im Experiment mit dem Material, das Extreme der Form auszuloten. Im gekonnten Spiel mit der Farbe (ver-) führt sie den Betrachter in ein zauberhaftes Terrain jener Kunst, die uns das spontane Glück der Begeis- terung gönnt. Immer wieder neu und immer wieder anders!
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